Berlin / Beijing – Mit selbstbewusstem Marketing und einem unorthodoxen Vertriebsmodell macht der junge chinesische Handyanbieter OnePlus auf sich und sein Smartphone One aufmerksam. Das Gerät lockt mit viel Ausstattung für relativ wenig Geld und der besonders flexiblen Android-Variante Cyanogenmod. Doch kann der angebliche „Flaggschiff-Killer“ die vollmundigen Versprechungen einlösen? Der Schnelltest von Stiftung Warentest bringt es an den Tag.
Als „Flagship Killer“ preist OnePlus sein Gerät an. Das heißt: Obwohl es nur 270 bis 300 Euro (je nach Speichergröße) kostet, soll das One es mit weit teureren „Flaggschiff“-Modellen der Konkurrenz aufnehmen, wie zum Beispiel dem Apple iPhone 6 Plus, dem HTC One (M8) oder dem Samsung Galaxy S5 . Dabei setzt der Anbieter auf ein ungewöhnliches Vertriebsmodell: Die Geräte sind nicht im Handel erhältlich, sondern nur direkt bei OnePlus. Und man kann sie dort nicht einfach so bestellen. Für das Privileg, ein One kaufen zu dürfen, ist bisher meist eine persönliche Einladung erforderlich. Nur gelegentlich hat OnePlus bisher kurze Zeitfenster geöffnet, in denen Interessenten auch ohne Einladung ein Gerät bestellen durften. Das dient wohl dazu, die begrenzten Fertigungskapazitäten mit einem weltweiten Marktstart zu vereinbaren. Außerdem verleiht es dem OnePlus One den Nimbus der Exklusivität.
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Viel Ausstattung für Technik-Nerds
Die technischen Daten des One lesen sich für ein 300-Euro-Handy beeindruckend. Mit knapp 14 Zentimeter Diagonale und 1080 mal 1920 Pixel hat sein Display die gleichen Eckdaten wie das des über 800 Euro teuren iPhone 6 Plus. Zudem wirbt OnePlus mit einem schnellen Vierkern-Prozessor, einem besonders starken Akku und einer Kamera, die „fantastische Fotos in jedem Ambiente“ machen soll. Dazu gibt es eine technische Besonderheit: Das One wird ab Werk mit der Android-Spielart Cyanogenmod (CM) ausgeliefert. Die ist bisher vor allem bei experimentierfreudigen Technik-Nerds bekannt und beliebt. Diese installieren Cyanogenmod gern auf Android-Handys der unterschiedlichsten Anbieter. Denn das System bringt besonders flexible Einstellmöglichkeiten und bietet auch für viele ältere Geräte noch regelmäßige System-Updates. So verleiht die Kooperation mit Cyanogenmod dem bisher unbekannten Anbieter OnePlus gleich eine hohe Glaubwürdigkeit bei einer jungen, technikaffinen Zielgruppe.
Probleme mit der Telefonqualität
Im Test kann das One die sehr hohen Erwartungen, die OnePlus für sein Handy schürt, freilich nicht ganz erfüllen. Sein riesiger, sehr hochauflösender Bildschirm ist wirklich gut, aber mit den Spitzendisplays der aktuellen iPhones oder des Galaxy S5 kann es dann doch nicht mithalten. Hinter denen bleibt es besonders in Sachen Helligkeit und Blickwinkel zurück. Seine Kamera macht gute Videos. Ihre Fotos sind zwar nicht schlecht, aber auch nicht „fantastisch“. Dafür wirken sie bei gutem Licht etwas zu fahl und bei wenig Licht zu verrauscht. Hinzu kommen Probleme mit der Telefonqualität: Bei störenden Umgebungsgeräuschen ist die Klangqualität schwach. Und der fest verbaute Akku schafft zwar im Telefonier- und Surf-Betrieb sehr ordentliche Werte. Doch beim Standby mit aktivem WLan frisst das Handy relativ viel Strom, sodass sich der Vorteil des starken Akkus in Grenzen hält. Insgesamt ist das OnePlus One kein schlechtes Handy, aber dem Vergleich mit den Flaggschiffen der etablierten Konkurrenten, denen es laut Anbieter Paroli bieten soll, hält es nicht stand.
Viel Datenschutz dank Cyanogenmod
Dank Cyanogenmod kann der Nutzer jeder einzelnen App den Zugriff auf persönliche Daten erlauben oder verbieten.
Dennoch bietet der Neuling gegenüber den meisten anderen Smartphones auf dem Markt einen echten Vorteil: Das Cyanogenmod-System. Dessen Bedienoberfläche gefällt zunächst mit einer minimalistischen Optik. Sie orientiert sich weitgehend am „naturbelassenen“ Android, wie es auf den Nexus-Handys installiert ist. Doch unter der Haube bietet es weit mehr Einstellmöglichkeiten. Das betrifft auch den Datenschutz. Im Gegensatz zum Standard-Android kann der Nutzer mit Cyanogenmod jeder einzelnen App den Zugriff auf GPS-Ortung, Adressbuch, Kalender, Anrufliste oder gespeicherte Kurznachrichten erlauben oder verbieten. Das gibt es bei Android-Handys sonst nicht. Die Datenschutzeinstellungen von Cyanogenmod sind hier sogar noch detaillierter als die von Apple iPhones. Das macht das Gerät für Nutzer, die Wert darauf legen, die Kontrolle über ihre Daten zu behalten, durchaus attraktiv.
Direktvertrieb aus China lässt Fragen offen
Doch gerade vorsichtige Nutzer werden vor einem Kauf bei OnePlus vielleicht doch eher zurückschrecken. Die Anbieter-Website, über die die Bestellung abgewickelt wird, ist ganz überwiegend in Englisch gehalten. Eine Anbieter-Anschrift können wir darauf nicht finden. Ein Impressum, wie es hierzulande vorgeschrieben ist, gibt es jedenfalls nicht. Das wirft Fragen auf: Was, wenn es Probleme beim Versand oder mit dem gekauften Gerät gibt? An wen wendet sich der Kunde im Garantie- oder Gewährleistungsfall? Die einzige Möglichkeit, mit dem Anbieter in Kontakt zu treten, scheint seine Website zu sein. Für eine Investition von mehreren Hundert Euro mag das manch einem potenziellen Käufer zu wenig sein.
Fazit: Nicht schlecht, aber kein Killer
Mit dem Versprechen, für 300 Euro einen Flaggschiff-Killer zu liefern, hängt OnePlus die Messlatte wohl ein bisschen zu hoch. Doch ist das One für seinen günstigen Preis kein unattraktives Handy. Besonders an den erweiterten Datenschutz-Einstellungen seines Cyanogenmod-Systems könnten sich andere Anbieter ein Beispiel nehmen. Allerdings dürfte eine Direktbestellung bei einem chinesischen Anbieter, der auf seiner Website nicht einmal seine Anschrift angibt, wohl nicht jedermanns Sache sein. Quelle: test.de