BERLIN – Das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt (ATV) zeigt sich in einem Positionspapier zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Revision der Pauschalreiserichtline enttäuscht über den aktuellen Entwurf. Die 27 ATV-Verbände, die sich im Bündnis aus allen Bereichen der vielfältigen Tourismusbranche zusammengeschlossen haben, bemängeln vor allem, dass ein Ausnahmefall wie die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Tourismusindustrie für die Zukunft nicht angemessen berücksichtigt wurde.
Zugleich kritisieren sie, dass dem Entwurf zufolge an anderer Stelle „weitere bürokratische Lasten“ eingeführt werden, die angebliche Probleme adressieren, die sich in der Praxis nicht oder kaum stellen. Im Resultat würde dadurch das Produkt Pauschalreise nur teurer und unattraktiver. „Das ist weder im Interesse der Industrie noch der Verbraucher/innen“, heißt es in der Stellungnahme – gerichtet an das Bundesministerium der Justiz – weiter. Zudem stehe zu befürchten, dass die geplanten Änderungen außerdem dazu führen, dass sich die Konzentration im Vertrieb weiter erhöht und sich damit Vielfalt und Auswahl für den Verbraucher verkleinern.
Unzureichende Berücksichtigung außergewöhnlicher weltumspannender Ereignisse
Da Reiseveranstalter während und vor allem zu Beginn der Pandemie verpflichtet wurden, binnen 14 Tagen Kundengelder abzugsfrei zurückzuerstatten, seien Veranstalter und Reisebüros unverschuldet in eine finanzielle Schieflage geraden, führen die ATV-Verbände im Positionspapier weiter aus. Daher müsse bei einer Revision der Pauschalreiserichtlinie für den Fall eines neuerlichen kompletten Marktversagens eine Regelung getroffen werden, „die einen vernünftigen Lastenausgleich zwischen Unternehmen und Verbraucher/innen vorsieht.“ Die vorgeschlagenen Lösungsansätze wie z.B. Gutscheine, Rückzahlungsverpflichtungen von Leistungsträgern sowie Krisenfonds sehen die ATV-Vertreter/innen „als keine wirksame Antwort“ an, um einer erneuten Krise wie Corona entgegenzutreten.
Kündigung des Vertrags wegen außergewöhnlicher Umstände
Das Bündnis kritisiert weiter, dass im Vorschlag der Europäischen Kommission die Möglichkeit eines kostenfreien Stornos aufgrund von außergewöhnlichen und unvorhergesehenen Umständen erweitert wurde auf den Abreiseort und Wohnsitz. „Damit wurde zugleich die Veranstalterhaftung ausgeweitet, was gestrichen werden muss“, lautet das ATV-Plädoyer. Auch müsse die Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Reiseveranstalter auf sechs Monate begrenzt werden. Nach der derzeitigen Regelung läuft die Verjährungsfrist erst nach zwei Jahren ab.
Auswirkungen der neuen Regeln beim Verkauf von Einzelleistungen
Auch dass im Entwurf der Richtlinie der Unterschied zwischen Pauschalreise und Einzelleistungen aufgeweicht wird, stößt den Touristikerinnen und Touristikern auf. „Dies widerspricht dem Grundsatz, dass Einzelleistungen nie eine Pauschalreise sind, und entwertet die erst kürzlich eingeführten verbundenen Reiseleistungen“, heißt es im Positionspapier hierzu. Welche Auswirkungen die Drei-Stunden-Regel für den Vertrieb bedeutet, wird im Positionspapier ausführlich erklärt und zeigt, wie absurd die Umsetzung wäre.
Für krisenfestes Wirtschaften: Stornierungsentschädigung und gerechte Risikoverteilung
Die aktuelle Praxis, unvermeidbare außergewöhnliche Umstände als Grund für 100% kostenfreie Stornierungen anzuerkennen, belaste die Branche und das insbesondere bei kompletten Marktversagen, lautet ein weiterer Kritikpunkt des ATV. Hier solle ein krisenfestes Wirtschaften für touristische Betriebe ermöglicht werden, indem eine gerechte Stornierungsentschädigung und Risikoverteilung eingeführt werden, so der Vorschlag des Bündnisses.
Ferienhäuser nicht in der Pauschalreiserichtlinie regeln
Zum Diskussionspunkt in der Branche, ob Ferienimmobilien in der Pauschalreiserichtlinie geregelt werden sollen, bezieht der ATV eine klare Position und spricht sich vehement dagegen aus. „Damit wird eine einzelne Beherbergungsform gegenüber anderen Unterkunftsanbietern wie Hotels, Pensionen, Campingplätze, aber auch anderen Einzelreiseangeboten, schlechter gestellt“, heißt es in der ATV-Stellungnahme an das Bundesministerium der Justiz.
Umsetzung in nationales Recht
Die Umsetzung der Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht solle dem ATV zufolge zudem nicht wie jetzt im Entwurf vorgeschlagen 18 Monate, sondern 24 Monate betragen. „Sonst lässt es den Unternehmen einen zu kurzen Zeitraum, um entsprechende Anpassungen an veränderte gesetzliche Anforderungen umzusetzen“, erläutern die Branchenexpertinnen und -experten weiter.
Das vollständige Positionspapier des ATV zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Revision der Pauschalreiserichtlinie ist abrufbar HIER
Über das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt:
Im Aktionsbündnis Tourismusvielfalt (ATV) haben sich 27 touristische Branchenverbände zusammengeschlossen und vertreten mehr als zehntausend Unternehmen, die für über eine Million Arbeitsplätze verantwortlich sind. Das Aktionsbündnis vereinigt einen umfassenden Querschnitt der deutschen Tourismuslandschaft. Die gemeinsame Zielsetzung ist es, die vielfältige Tourismuslandschaft zu erhalten.
Das Aktionsbündnis tritt gemeinsam und mit einer Stimme gegenüber Politik und Öffentlichkeit auf und bündelt die Interessen der Branche. Seit der Gründung 2020 wurden zahlreiche Einreichungen sowie Positionspapiere veröffentlicht. Sie legen Maßnahmen dar, die für die Tourismusbranche unmittelbar wichtig sind, und Weichen für die zukünftige Entwicklung der Branche stellen. Nähere Informationen finden sich unter www.tourismusvielfalt.de.