WASHINGTON/PEKING – Minuten nachdem die umfassenden Zollanhebungen von US-Präsident Donald Trump auf chinesische Waren am 4. Februar in Kraft traten, schlug Peking mit einem sorgfältig kalkulierten Maßnahmenpaket zurück. Während die US-Zölle, die eine 10-prozentige Abgabe auf alle chinesischen Importe vorsehen, eine umfassende Strategie darstellen, um Peking unter Druck zu setzen, war Chinas Reaktion zurückhaltender und strategischer. Die Vergeltungsmaßnahmen zielten auf spezifische amerikanische Exporte und in China tätige Unternehmen ab und ließen dabei Raum für potenzielle Verhandlungen, während sie gleichzeitig Chinas Bereitschaft zur Verteidigung nationaler Interessen demonstrierten.
Im Gegensatz zu Washingtons breitem Ansatz, der nahezu jedes chinesische Produkt betrifft, das in die Vereinigten Staaten importiert wird, waren die Gegenmaßnahmen Pekings gezielt ausgerichtet. Ein zentrales Element der chinesischen Reaktion war die Einschränkung des Zugangs zu kritischen Mineralien aus chinesischem Export – Rohstoffe, die für Hightech-Industrien wie Halbleiter, Elektrofahrzeuge und Rüstungsgüter unverzichtbar sind. Analysten weisen darauf hin, dass dieser Schritt weitreichende Auswirkungen haben könnte, da China den globalen Markt für Seltene Erden dominiert.
Stephen Olson, ein ehemaliger US-Handelsunterhändler, bezeichnete Chinas Strategie als „gut abgestimmt“. Laut Olson seien die Gegenmaßnahmen „stark genug, um Trumps Aufmerksamkeit zu erregen, ohne so schädlich zu sein, dass sie die Fähigkeit der beiden Länder, irgendeine Art von Abkommen zu schließen, zunichtemachen würden“.
Gezielte Zölle auf wichtige US-Exporte
China kündigte neue Zölle von 15 Prozent auf amerikanische Kohle und verflüssigtes Erdgas (LNG) sowie eine Steuererhöhung von 10 Prozent auf wichtige US-Exporte wie Rohöl, landwirtschaftliche Maschinen und Pick-up-Trucks an. Diese Zölle sollen am 10. Februar in Kraft treten und voraussichtlich Industriezweige treffen, die für das Wirtschaftswachstum der USA von entscheidender Bedeutung sind, insbesondere im Energiesektor und in der Landwirtschaft.
Trotz der Eskalation im Stil eines Ping-Pong-Spiels glauben Analysten, dass Pekings erste Reaktion die US-Wirtschaft nicht unmittelbar schwer treffen wird. Vielmehr dient sie als kalkulierter Warnschuss, der signalisiert, dass China zurückschlagen wird, während es die Tür für weitere Verhandlungen offen lässt.
Hohe Eskalationsgefahr
Das Potenzial für eine Eskalation des Konflikts bleibt jedoch hoch. Da die beiden Wirtschaftsgiganten in einem anhaltenden Handelskrieg verstrickt sind, könnte die dadurch entstehende Unsicherheit globale Auswirkungen haben, die weit über ihre jeweiligen Grenzen hinausreichen.
Auswirkungen auf ASEAN: Risiken und Chancen
Der US-chinesische Handelskonflikt ist nicht nur ein bilaterales Problem; seine Folgen könnten in der gesamten Asien-Pazifik-Region spürbar sein, vornehmlich in den Mitgliedsstaaten der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations). Länder in Südostasien wie Vietnam, Thailand, Malaysia und Indonesien sind stark in globale Lieferketten eingebunden und könnten sowohl positive als auch negative Auswirkungen zu spüren bekommen.
Chancen durch Handelsumlenkung
Einige ASEAN-Länder könnten von einer Handelsumlenkung profitieren, da Unternehmen nach alternativen Märkten suchen, um die Zölle zu umgehen. Vietnam hat sich beispielsweise bereits als wichtiger Nutznießer positioniert und zieht Hersteller an, die ihre Produktionsstätten aus China verlagern möchten. Ebenso könnten Malaysia und Thailand von einer gestiegenen Nachfrage nach Elektronik- und Automobilkomponenten profitieren, da globale Unternehmen ihre Bezugsquellen diversifizieren.
Risiken regionaler Instabilität
Auf der anderen Seite könnten anhaltende Handelskonflikte das Wirtschaftswachstum in der Region verlangsamen, insbesondere in exportabhängigen Volkswirtschaften wie Singapur und Indonesien. Eine geringere weltweite Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, verbunden mit steigenden Produktionskosten aufgrund von Lieferkettenunterbrechungen, könnte wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringen.
Es besteht auch die Gefahr, dass ASEAN-Länder in das geopolitische Kreuzfeuer geraten. Während die USA und China um Einfluss kämpfen, könnten ASEAN-Nationen gezwungen sein, schwierige Entscheidungen zu treffen, ob sie sich in ihrer Handels- und Außenpolitik eher an die eine oder andere Supermacht anlehnen. Dies könnte zu einer Fragmentierung innerhalb des regionalen Blocks führen und die Bemühungen untergraben, Neutralität und wirtschaftliche Stabilität zu wahren.
Ein Blick nach vorn: Ein heikler Balanceakt
Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist noch lange nicht vorbei. Obwohl beide Seiten ihre Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben, bleibt der Weg zu einem umfassenden Handelsabkommen mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Für die ASEAN-Länder wird es entscheidend sein, in diesem komplexen Umfeld diplomatisch und strategisch vorzugehen.
Ob die Region die Krise in eine Chance verwandeln oder in eine längere Phase der Unsicherheit geraten wird, hängt davon ab, wie sich die Beziehungen zwischen den USA und China in den kommenden Monaten entwickeln. (zai)