BERLIN – Das Geschäft mit Asien-Pazifik ist wichtig, doch die Welt wartet nicht auf Deutschland – diese Erkenntnis bringt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), von seiner Reise in die Region mit.
Mitte Januar waren Wansleben und DIHK-Vizepräsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Industrie- und Handelskammern zu einer Delegationsreise nach Singapur und Thailand gestartet. Dort erläuterte er gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, welche Rolle die Region für die deutschen Unternehmen spielt, und was passieren muss, um deren Wettbewerbsfähigkeit im Rennen mit dem Rest der Welt zu stärken.
Derzeit nur ein „Add on“ zum China-Geschäft
„Es gibt in weiten Teilen der Politik die Vorstellung, dass es relativ leicht ist, China kurzfristig als Handelspartner zu ersetzen“, sagte der DIHK-Hauptgeschäftsführer. „Wenn man sich dann jedoch das Handelsvolumen anschaut, ist man eher ernüchtert.“
Mit ganz Asien-Pazifik ohne China tausche Deutschland nur zehn Prozent mehr Waren aus als mit China allein, rechnete er vor. Das deutsche Handelsvolumen mit Indien betrage lediglich ein Zehntel dessen mit der Volksrepublik. Und auch, wenn man nur die Importe aus China betrachte – „von denen es immer heißt, man könne sie leicht ersetzen“ –, ergebe sich das gleiche Bild.
„Das heißt: Das Geschäft mit der Region Asien-Pazifik ohne den chinesischen Markt kann immer nur ein ‚Add on‘ sein, eine Absicherung in Form eines ‚China plus 1‘ – aktuell aber kein Ersatz für China“, so Wanslebens Resümee.
Handelsabkommen sehnlich erwartet
„Wir waren gestern bei einem Unternehmen in Singapur, das in der Region stark vertreten ist“, berichtete Wansleben. „Dort wartet man händeringend auf das Freihandelsabkommen mit Indien. Denn man sei bereit, sofort loszulegen. Das zeigt, wie wichtig die Handelsabkommen sind.“
Die DIHK plädiere dafür, dass man auf Augenhöhe mit den Partnern passgenaue Vereinbarungen verhandle, stellte er klar. In einem ersten Schritt müssten schnellstmöglich neue Zulieferer und neue Kunden gefunden werden. Denn nur dann ließen sich Lieferketten diversifizieren und resilienter machen.
„Genauso wie wir in Deutschland oder auf europäischer Ebene als Wirtschaft Bürokratieabbau fordern und die Politik die Forderung aufnimmt, gilt es jetzt, die Freihandelsabkommen zu entschlacken“, mahnte er. „Wenn man so will, brauchen wir auch Bürokratieabbau im Außenhandel.“ Als notwendige Erleichterungen nannte er Zollsenkungen, vereinfachte Transportwege oder mehr Rechtssicherheit durch gute Handelsregeln.
EU-Lieferkettengesetz „geradezu ein Anachronismus“
Dies dürfe jetzt nicht auch noch durch das EU-Lieferkettengesetz behindert werden, kritisierte er: „Das ist geradezu ein Anachronismus. Als ob wir als Europäer eine Art Monopol hätten. Die Politik hat zu Recht das Ziel ausgegeben, dass deutsche und europäische Unternehmen ihre Lieferketten diversifizieren, neue Märkte und neue Zulieferer finden. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz macht dies aber in vielen Fällen unmöglich.“ In jedem Falle erschwere es diese Aufgaben zusätzlich.
„Ich höre inzwischen von europäischen Privatbanken, die zum Teil sehr strenge Vorgaben von ihren Mutterhäusern und der Bankenaufsicht haben, dass diese Vorgaben viel zu oft nicht dazu führen, dass der potenzielle Investor seine Strategie oder seinen Investitionsschwerpunkt ändert“, sagte Wansleben. „Der Investor geht stattdessen zu einer Bank außerhalb Europas.“
Die Welt wartet nicht auf Deutschland
Das Fazit des DIHK-Hauptgeschäftsführers: „Asien-Pazifik jenseits von China gehört zu den Hoffnungsregionen deutscher Unternehmen. Doch wehe dem, der glaubt, Indien könne China kurzfristig eins zu eins ersetzen. Die Firmen, die bereits vor Ort sind, sind zufrieden. Für die anderen ist es bittere Realität, dass die Welt nicht auf uns wartet. Wenn wir nicht da sind, weil wir uns selbst Hürden auferlegen, die unsere Kunden oder Zulieferer im Zweifel nicht akzeptieren, findet das Geschäft ohne Deutschland und ohne Europa statt.“
Die Lage sei ernst, warnte Wansleben. „Wenn wir nicht mehr in Regionen investieren dürfen, weil dort der Strom beispielsweise überwiegend aus Kohlekraftwerken kommt, dann gehen die Umsätze eben an Länder wie Indien, Russland oder China. Ich habe den Eindruck, dass sich allmählich auch in der Bundesregierung die Erkenntnis durchsetzt, dass wir keine einseitige wertegeleitete, sondern eine Mixtur aus politischen Werten und interessengeleiteter Außenpolitik brauchen. Es ist auch hier ein neuer Politikmix notwendig.“ Quelle: DIHK