Berlin – Zum ersten Mal seit elf Jahren spielt für die deutsche Industrie das Kostenargument bei Investitionen im Ausland wieder eine stärkere Rolle. Das zeigt die neue Umfrage „Auslandsinvestitionen in der Industrie“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter 2.500 Unternehmen.
Das Ausland werde als Investitionsstandort für die hiesige Industrie noch attraktiver, berichtete DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von den Ergebnissen der Erhebung. „Die Unternehmen wollen im laufenden Jahr dafür deutlich mehr Kapital in die Hände nehmen als 2013. Die großen Gewinner sind dabei unsere europäischen Nachbarländer.“
„Ein erstes Warnsignal für den Standort Deutschland ist die leichte Zunahme der Kosten am heimischen Standort als Motiv von Auslandsinvestitionen. Dieser steigt erstmals seit 2003 wieder leicht an“, sagte Wansleben.
Viele europäische Standorte hätten zuletzt ihre Wettbewerbsfähigkeit durch zum Teil schmerzhafte Reformen merklich verbessert. Dies schlage sich nun in den Investitionen deutscher Unternehmen nieder, so der DIHK-Hauptgeschäftsführer. „Infolge der konjunkturellen Belebung werden diese Europartner allmählich auch als Absatzmarkt wieder interessanter. Deutsche Unternehmen sichern mittlerweile 2,8 Millionen Menschen in der EU einen Arbeitsplatz. Damit ist das Vorkrisenniveau fast wieder erreicht.“
Dieses Engagement in den Nachbarländern komme aber indirekt auch dem Arbeitsmarkt in Deutschland zugute. Denn Unternehmen mit Auslandsinvestitionen wollten parallel hierzulande kräftig Beschäftigung aufbauen – anders als Betriebe ohne entsprechende Auslandsaktivitäten, erläuterte er „Insgesamt rechnen wir 2014 hierzulande mit 35.000 zusätzlichen Stellen in Industrieunternehmen, die im Ausland investieren.“
Insgesamt will der Umfrage zufolge 2014 erneut fast jedes zweite Unternehmen (45 Prozent) im Ausland investieren. Als Zielregion setzen die Betriebe weiterhin auf die dynamische Entwicklung wachstumsstarker Regionen rund um den Globus. Sämtliche Vorhaben für Investitionen in Osteuropa und insbesondere in Russland ständen derzeit allerdings unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung im Krim-Konflikt.
Die Rückkehr des Motivs „Kostenersparnis“ bei Investitionen im Ausland zeige, dass der Anstieg bei Löhnen und Strompreisen nun beginne, auf die Unternehmen durchzuschlagen, warnte Wansleben. Die hohen Energiepreise seien mittlerweile für 12 Prozent der Befragten ein Grund, im Ausland zu investieren – 2011 hätte dies nur für 9 Prozent gegolten.
„Gerade in Sachen Stromkosten sind die meisten Standorte außerhalb Deutschlands inzwischen günstiger. Hierzulande ist der Anstieg der Energie- und Rohstoffkosten mittlerweile seit vier Jahren aus Sicht der Industrieunternehmen größtes Geschäftsrisiko“, sagte er. „Fast zwei Drittel nennen derzeit dieses Risiko.“ Da Sonderlasten wie die EEG-Umlage nur die heimische Wirtschaft träfen, seien sie eine zusätzliche Bürde im internationalen Wettbewerb – und inzwischen auch oftmals einen Anlass, Produktion ins Ausland zu verlagern.
„Besorgniserregend ist, dass Unternehmen, die wegen des Energie- und Rohstoffbezugs im Ausland investieren, sich zugleich bei ihren Plänen für Beschäftigung und Investitionen in Deutschland am stärksten zurückhalten“, berichtete Wansleben. Auch der Fachkräftemangel schlage sich nieder: Um diesem zu begegnen, investierte aktuell jedes zehnte Unternehmen im Ausland – 2011 hätten nur sieben Prozent diesen Grund genannt.
Die komplette Umfrage „Auslandsinvestitionen in der Industrie, Frühjahr 2013“ sowie einen deutschen und einen englischen Flyer mit den wesentlichen Ergebnissen finden Sie hier. Quelle: DIHK