Berlin – „Die Deutschen sind in Reiselaune“, mit diesen Worten eröffnete der Präsident des Deutschen Reiseverbandes, Norbert Fiebig, den Kreuzfahrt-Kongress am 8. November in Hamburg und ergänzte: „Und – die Deutschen drängt es aufs Wasser.“ Der Gesamtumsatz des organisierten Reisemarktes werde im gerade abgeschlossenen Touristikjahr 2017/18 laut GfK voraussichtlich um rund zwei Milliarden Euro höher ausfallen als im Vorjahr – und zu den Treibern dieses Wachstums zählt die Kreuzfahrt.
Bei den Hochseekreuzfahrten liegt das Gästeaufkommen aus Deutschland europaweit auf dem ersten Platz. Mit einer Wirtschaftsleistung von 6,4 Milliarden Euro in Deutschland und weltweit 126 Milliarden Euro hat sich die Kreuzfahrtindustrie zu einem wirtschaftlich bedeutenden Faktor entwickelt.
Politisch Einfluss nehmen
Entsprechend gelte es mit anderen Playern der Industrie auch politisch Einfluss zu nehmen, „damit die gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen und der Branche nicht noch mehr aufgeladen wird, was sie finanziell und administrativ unangemessen belastet“, so Fiebig. In diesem Zusammenhang nannte der DRV-Präsident explizit die kollektive Sammelklage, deren Einführung von der Europäischen Kommission geplant ist: „Die Sammelklage öffnet organisiertem Missbrauch Tür und Tor.
Gerade für touristische Anbieter wie die Kreuzfahrtunternehmer, die viele Kunden auf einer Reise haben, ist sie eine ernstzunehmende Bedrohung.“ Der DRV hat die Bundesregierung bereits aufgefordert diesbezüglich in Brüssel zu agieren. „Politischer Druck ist hier dringend erforderlich und auch die Kreuzfahrtbranche kann sich hier noch stärker einbringen“, rief Fiebig zum Handeln auf.
Neue Schiffe treiben das Wachstum Â
Neue Schiffe treiben das Wachstum weiter: Allein 14 der bis 2021 weltweit zur Auslieferung geplanten 66 Kreuzfahrtschiffe tragen das Label „made in Germany“. Eine gute Nachricht auch für den stationären Vertrieb, denn der hält nach wie vor den Löwenanteil am Umsatz: „Im Reisebüro gehen 13 Prozent der Umsätze auf das Konto der Kreuzfahrt“, erläutert Fiebig. Aber das Kreuzfahrtgeschäft sei auch beratungsintensiv. Darüber hinaus kommt den Reisebüros in Zeiten wachsender Kapazitäten eine weitere bedeutende Rolle zu: Sie müssen noch mehr Urlauber von den Vorzügen des Urlaubs an Bord eines Schiffes überzeugen. „Das ist“, so der DRV-Präsident, „ohne die tatkräftige Unterstützung der Reisebüros nicht möglich.“
Umwelt und Nachhaltigkeit als zentrale Aufgabe der Reisewirtschaft
In einem prosperierenden Markt müssen die Marktteilnehmer auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. So müsse Wachstum verantwortungsbewusst erfolgen – in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht.
Die Nachfrage der Kunden nach umweltfreundlichen und nachhaltigen Urlaubsreisen ist aktuell noch nicht sehr stark ausgeprägt. Aber das werde sich ändern und der Wettbewerb der Zukunft werde ein Wettbewerb um das Vertrauen der Kunden – auch in punkto ökologischer und sozialer Verantwortung, erläuterte Fiebig. Wichtig sei eine zielführende und konstruktive Diskussion, die nicht den Eindruck vermittelt, Probleme klein reden zu wollen. „Die Kreuzfahrt macht lediglich 0,4 Prozent der weltweiten Schifffahrt aus – das bedeutet bei einer Gesamtzahl von 100.000 Schiffen knapp 400 Kreuzfahrtschiffe“, so Fiebig.
Die Kreuzfahrt muss sich in Sachen Umwelt nicht verstecken: Jeder 4. Euro, den Reedereien in die Hand nehmen, fließt in den Bau, die Instandhaltung und die Modernisierung der Schiffe mit neuen und effizienten Technologien. So konnte beispielsweise der Treibstoffverbrauch von Kreuzfahrtschiffen pro Passagier in den vergangenen 20 Jahren um bis zu 70 Prozent reduziert werden.
„Das Bewusstsein ist gestiegen und es ist das Ziel, einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Wir sind also auf einem guten Weg“, ist der DRV-Präsident überzeugt. „Dennoch müssen wir alle gemeinsam – und damit meine ich die Branche, die Politik und auch die NGOs – den Weg zur Verbesserung der bestehenden Strukturen weiter konstruktiv und entschlossen gehen.“ Dementsprechend befürwortet der Präsident des DRV die Entscheidung der Großen Koalition, sich für eine europaweit einheitliche Nutzung von Landstrom in der Schifffahrt sowie für einheitliche Genehmigungs- und Nutzungsstandards beim Thema LNG in den Häfen einzusetzen.
Overtourism kritisch aber sachlich diskutieren
Weltweit trägt der Tourismus zu Wachstum und Wohlstand bei und ist ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Auch Kreuzfahrtunternehmen leisten in den Zielgebieten einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung – durch die Zusammenarbeit mit lokalen Zulieferern, Agenturen für Landausflüge und den Häfen.
Unabhängig von diesen überaus positiven Effekten des Tourismus, wird häufig etwas einseitig über die eher negativen Folgen des Tourismus, die Überfüllung der Zielgebiete, diskutiert. „Es ist unser ureigenes Interesse, die Zielgebiete besuchenswert zu erhalten, sonst verlieren wir die Grundlage unseres Geschäfts“, machte Fiebig deutlich. Die Vorteile, die der Tourismus der Wohnbevölkerung bringt, müssen langfristig mögliche Belastungen überwiegen.
„Hier stehen wir alle – Kommunen, Reisewirtschaft und auch die Kreuzfahrt – in der Pflicht. Denn kein Gast – egal ob Landbesucher oder Kreuzfahrer – sucht die Überfüllung, weder in den Städten noch an den Stränden.“ Dementsprechend müsse in einem positiven Miteinander und mit dem Ziel nachhaltigen Wachstums in den Zielgebieten noch stärker für Entzerrung gesorgt werden – durch kluge Steuerung der Tourismusströme, durch Ausweiten der Saisonzeiten oder Verlagerung von Kreuzfahrtrouten. Insgesamt forderte Fiebig eine Versachlichung der Diskussion, um mit allen Beteiligten offen und konstruktiv Lösungsmöglichkeiten zu erörtern.
Kreuzfahrt bleibt auf Erfolgskurs
Die Kreuzfahrt wird weiter überproportional wachsen, ist der DRV-Präsident überzeugt. „Voraussetzung hierfür ist allerdings“, so Fiebig, „dass die Reputation dieser vielseitigen Reiseform unbeschädigt bleibt, die Investitionslust der Kreuzfahrtunternehmen und der öffentlichen Hand – gerade auch in Umwelttechnologien – ungebrochen voranschreitet und auch keine Überreglementierung diese Entwicklung gefährdet.“