Berlin – In wenigen Tagen wird das Europäische Parlament über die Einführung einer Sammelklage beraten. Führende Verbände der europäischen Reisewirtschaft haben dies zum Anlass genommen, sich vor Ort in Brüssel mit Vertretern des Europäischen Parlaments und der Kommission auszutauschen. Das Ziel: Gemeinsam die Wirtschaftskraft der Reisewirtschaft verdeutlichen und die Fehlanreize klar ansprechen, die eine europäische Sammelklage setzt.
Das neue Instrument könnte einer Klageindustrie nach amerikanischem Vorbild den Weg ebnen.
Mit Einführung der Sammelklage sollen Verbraucher Schadensersatz erhalten können, ohne selbst Klage erheben zu müssen. Wenn viele Verbraucher einen vergleichbaren Schaden erlitten haben – zum Beispiel, weil ein Strandabschnitt verschmutzt war – sollen Verbände stellvertretend für alle Geschädigten klagen können. Die betroffenen Verbraucher müssten diesem nicht einmal vorher zustimmen. Dies widerspricht europäischen Rechtsgrundsätzen.
Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes (DRV), sagte in Brüssel: „Verbraucherschutz ist richtig und wichtig, aber hier ist Augenmaß gefragt. Die Einführung einer europäischen Sammelklage kann Missbrauch Tür und Tor öffnen. Wir befürchten, dass konstruierte Beschwerden der europäischen Reisewirtschaft erheblichen Schaden zufügen.“
Zwei Punkte aus dem derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf sind aus Sicht der Reisewirtschaft besonders beunruhigend. Erstens, dass Verbraucherorganisationen Schadenersatz für eine unbestimmte Zahl von Verbrauchern geltend machen können, was das Risiko für Unternehmen unkalkulierbar macht. Zweitens, dass sogar ad hoc gegründete Organisationen als klageberechtigt zugelassen werden könnten. Dies würde die Entstehung einer gewinnorientierten Klageindustrie begünstigen.
Beide Punkte sieht der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments ebenfalls kritisch. Der Ausschuss will Klagen schwieriger machen. Das geht in die richtige Richtung, reicht aber aus Sicht der Reisewirtschaft noch nicht aus, um Missbrauch zu verhindern.
Hintergrund
Zu der Diskussionsrunde in Brüssel hatten der britische Reiseverband (ABTA), die Vereinigung der Niederländischen Reiseveranstalter (ANVR), die Vereinigung der Dänischen Reiseveranstalter (DRF) und der Deutsche Reiseverband (DRV), die sich als Arbeitsgemeinschaft zur European Travelunion (ETU) zusammengeschlossen haben, in Kooperation mit der Vertretung des Landes Hessen bei der EU eingeladen.
EU-Justizkommissarin Vera Jourová hat am 14. April 2018 den Richtlinienentwurf zur Einführung einer Sammelklage vorgelegt. Dieser ist Teil eines Maßnahmenpakets mit dem Titel „A New Deal for Consumers“. Im Europäischen Parlament und im Rat stehen in der nächsten Woche weitere Beratungen dazu an. (ABTA, ANVR, DRF und DRV)