Kuala Lumpur – Das erste Freihandelsabkommen zwischen der EU und einem ASEAN-Staat ist unterzeichnet. Ein angestrebtes Abkommen zwischen der EU und ASEAN ist damit einen guten Schritt näher gerückt.
Am 19. Oktober 2018 wurden in Brüssel das Freihandelsabkommen (EUSFTA) und das Investitionsabkommen (EUSIPA) zwischen der Europäischen Union (EU) und Singapur unterzeichnet. Sie sind die ersten bilateralen Handels- und Investitionsübereinkünfte zwischen der EU und einem Mitgliedstaat des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN). Damit ist die EU einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum übergeordneten Ziel weitergekommen, ein Handels- und Investitionsabkommen mit der gesamten ASEAN zu schließen.
Nach Inkrafttreten des EUSFTA werden sofort sämtliche noch bestehenden Einfuhrzölle Singapurs auf EU-Produkte (unter anderem alkoholische Erzeugnisse) wegfallen. Die EU wird im Gegenzug sämtliche Abgaben auf 84 Prozent der singapurischen Importe streichen. Bei den restlichen 6 Prozent (bestimmte Arten von Textilien und Teppichen, Fahrräder, Obst, Getreide und Sportschuhe) werden die Zölle innerhalb von drei bis fünf Jahren nach Ratifizierung abgeschafft.
Auch nicht-tarifäre Handelsbarrieren sollen beseitigt werden
Durch das Abkommen werden auch bestimmte nicht-tarifäre Handelshemmnisse in den Bereichen Elektronik, Kraftfahrzeuge und Fahrzeugteile, Arzneimittel und Medizinprodukte sowie bei Ausrüstungen für die Erzeugung erneuerbarer Energien abgebaut. Die strengen Gesetze und Verfahren der EU für landwirtschaftliche Produkte und andere Lebensmittelerzeugnisse (sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen) bleiben vom Abkommen unberührt.
Beide Seiten erhoffen sich durch das Abkommen eine Ausweitung des bilateralen Handels um bis zu 10 Prozent innerhalb der ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten. Schon jetzt ist die EU der wichtigste Abnehmer singapurischer Dienstleistungsexporte. Umgekehrt ist Singapur in Südostasien das wichtigste Abnehmerland für Warenexporte aus der EU Auch wenn hierbei der sogenannte Singapur-Effekt sicherlich eine relativ große Rolle spielen dürfte. Ein Großteil der Waren dürfte nach der Anlandung in Singapur zu weiteren asiatischen Ländern transportiert werden.
Singapur beherbergt bereits jetzt viele Unternehmen aus der EU
Der bilaterale Warenhandel lag 2017 bei 53,3 Milliarden Euro. Bei Dienstleistungen waren es 2016 knapp 44,4 Milliarden Euro. Damit entfällt knapp ein Drittel des Handels zwischen der EU und ASEAN bei Waren und Dienstleistungen auf Singapur. Zugleich entsprechen die bilateralen Investitionsbestände zwischen der EU und Singapur von 256 Milliarden Euro (2016) etwa zwei Dritteln der Investitionen zwischen den beiden Regionen. Über 10.000 EU-Unternehmen sind in Singapur niedergelassen und nutzen das Land als Umschlagsplatz, um die gesamte Pazifikregion zu bedienen.
Singapur erwartet von dem Abkommen eine Ausweitung seiner Gesamtexporte um 1,1 Prozentpunkte. Dies würde ein Plus des BIP von etwa 0,3 Prozentpunkten bedeuten. Wichtig für Singapur ist dabei das Konzept der „ASEAN-Kumulierung“. Dies bedeutet, dass künftig bei wichtigen singapurischen Exporten in die EU, bestimmte Vorprodukte oder Zulieferungen, die aus anderen ASEAN-Staaten stammen, ebenfalls als singapurische Erzeugnisse gelten und damit den gleichen bevorzugten Bedingungen unterliegen. Das Abkommen sieht eine Ausweitung der regionalen Kumulierung auf weitere Produkte vor, sobald die EU weitere Handelsabkommen mit anderen ASEAN-Mitgliedstaaten geschlossen hat.
Zukünftig stehen deutschen Firmen mehr öffentliche Ausschreibungen offen
Die Marktzugangsmöglichkeiten für Dienstleistungen sollen verbessert werden. Für in- und ausländische Dienstleister sollen, zumindest in ausgewählten Branchen, dieselben Regeln und Vorschriften gelten. Außerdem sind beide Seiten übereingekommen, die Ausschreibungsverfahren zu verbessern und zu vereinfachen. Der Umfang der öffentlichen Aufträge, die für Bieter infrage kommen, soll erweitert werden. Dies gilt insbesondere für Projekte des Eisenbahnsektors und der Nationalen Umweltbehörde Singapurs.
Zum Inkrafttreten von EUSFTA bedarf es nur noch der Zustimmung des EU-Parlaments. Es wird erwartet, dass dies spätestens zur Jahresmitte 2019 der Fall sein dürfte. Anders sieht es beim EUSIPA aus. Dort müssen alle 28 EU-Mitgliedsländer das Abkommen ratifizieren, wodurch der Prozess deutlich länger dauern dürfte.
EUSIPA wird die bisherigen 12 bilateralen Investitionsabkommen zwischen einzelnen EU-Staaten und Singapur ersetzen. Es orientiert sich sehr stark an dem Abkommen zwischen der EU und Kanada und sieht ein unabhängiges Streitbeilegungssystem vor.
Weitere Informationen zu Wirtschaftslage, Branchen, Geschäftspraxis, Recht, Zoll, Ausschreibungen und Entwicklungsprojekten in Singapur können Sie unter http://www.gtai.de/singapur abrufen. (GTAI)