Freihandelsabkommen zwischen Vietnam und EU

Hanoi / Brüssel – Die Weltwirtschaft hat sich im Jahr 2014 zwar langsam erholt, doch das Wachstum ist immer noch instabil und nicht nachhaltig. Viele Länder kehren zum Protektionismus zurück, um ihre heimischen Märkte zu schützen, was den globalen Handel negativ beeinflusst.

Vor diesem Hintergrund versuchen große Wirtschaftsnationen, Freihandelsabkommen (Free Trade Agreement – FTA) mit anderen Ländern und Regionen zu schließen, um neue Märkte zu erschließen, wirtschaftliche Beziehungen zu stärken und eine nachhaltige Erholung der Weltwirtschaft zu erreichen.

Um seinen Außenhandel zu stärken, hat Vietnam seit 2011 sechs Freihandelsabkommen mit verschiedenen Wirtschaftsnationen der Welt geschlossen und wird bis 2015 voraussichtlich sechs weitere FTA mit 55 Ländern schließen, darunter das Abkommen zwischen der EU und Vietnam (EVFTA).

EVFTA ist  ein vielseitiges Abkommen, das den WTO-Regeln und –Prinzipien entspricht und Aspekte beinhaltet wie z.B. Warenhandel, Zollbestimmungen, Handelsvorteile, sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen (SPS), technische Handelshemmnisse (TBT), Dienstleistungshandel, Investitionen, Wettbewerbspolitik, Urheberrecht, Regierungsausgaben, nachhaltige Entwicklung, Protektionismus, Konfliktlösung und Transparenz.

Was bringt das EVFTA für Vietnam und die EU ? 

Der Nutzen für Vietnam sind u.a. die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für Vietnams Exporte in die EU-Staaten, die Ankurbelung der Investitionen der EU-Staaten in Vietnam und die Ausgewogenheit zwischen politischen und wirtschaftlichen Vorteilen bei der Umsetzung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PCA).

EVFTA ist ferner auch ein Antrieb für weitere Freihandelsabkommen zwischen Vietnam und anderen großen Wirtschafts- und Handelspartnern, wobei die Balance in der Beziehung mit verschiedenen wichtigen Wirtschaftspartnern bewahrt und die wirtschaftliche Abhängigkeit von ostasiatischen Ländern reduziert wird.

Das Zustandekommen eines Freihandelsabkommen mit der EU vor China und den ASEAN-Staaten  bietet  außerdem kurz- und mittelfristige Vorteile bei der Annäherung der EU-Märkte. Vietnam kann zudem eine Vermittlerrolle bei den Handels- und Investitionsaktivitäten der EU in den ASEAN-Ländern und dadurch eine noch wichtigere Rolle bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den ASEAN-Staaten einnehmen.

Auf der anderen Seite profitiert auch die EU von EVFTA. Erstens, die Wirtschaft der EU-Staaten hat zwar die schwerste Phase der Schuldenkrise hinter sich, steht jedoch immer vor der Gefahr einer Rezession, insbesondere wenn die Sanktionsmaßnahmen zwischen der EU und Russland anfangen, sich negativ auf die Erholung der Wirtschaft auszuwirken.

Neben den Wachstumsmaßnahmen braucht die EU Freihandelsabkommen mit anderen Ländern, um neue Märkte zu erschließen und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Zweitens, EVFTA  gehört zu den Abkommen, für deren Unterzeichnung die Verhandlungen schon relativ weit entwickelt sind.

Wenn EVFTA umgesetzt wird, wäre es für die EU leichter, den vietnamesischen Markt zu betreten. Darüber hinaus würde es für die EU ein Sprungbrett sein, um weitere bilaterale Freihandelsabkommen mit anderen ASEAN-Staaten sowie das EU-ASEAN- Freihandelsabkommen abzuschließen.   

Mit einem baldigen Abschluss der Verhandlungsrunden wird gerechnet 

Die Beziehung zwischen Vietnam und der EU haben sich in den letzten Jahre sehr gut entwickelt. Vietnam hat bereits mit sechs großen EU-Mitgliedsstaaten eine strategische Partnerschaft aufgebaut (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Niederlande) und ist zurzeit Koordinator zwischen ASEAN und der EU (2012 – 2015). Bei Besuchen auf hohen politischen Ebenen haben Führer von Vietnam und der EU den Willen bekräftigt, die Verhandlungen zu EVFTA noch im Jahr 2014 abzuschließen.

Mit diesen günstigen Rahmenbedingungen wurden die Verhandlungen zu EVFTA gleich nach dem Start (26/6/2012) schnell und zügig geführt und sind vom Ergebnis her im Moment mit Abstand am weitesten gediehen, im Vergleich zu anderen Freihandelsabkommen, zu denen Vietnam zurzeit auch Verhandlungen führt.

Auch für die EU ist EVFTA das aussichtsreichste Abkommen für eine baldige Unterzeichnung, obwohl Verhandlungen mit anderen Ländern wie z.B. den USA (TTIP), Japan, Thailand, Malaysia, Singapur schon länger geführt werden.

Nach neun Verhandlungen haben sich beide Seiten sehr gut angenähert und Kompromisse in vielen Bereichen gefunden, insbesondere:

–  Beim Warenhandel: Vietnam hat der Forderung der EU, die Märkte für industrielle Produkte (insbesondere den Automobilmarkt) zu öffnen, entsprochen. Im Gegenzug hat die EU bereits signalisiert, Vietnam bei der Forderung nach der Öffnung der Märkte für Argar- und Meeresprodukte entgegenzukommen.

–  Beim Dienstleistungshandel: Vietnam hat auch die Bedingungen der EU, die Märkte für Post und Telekommunikation, Finanzen und Transport (insbesondere Seetransport) zu öffnen, akzeptiert.

–  Bei der Forderung der EU nach der Ausweitung der öffentlichen Ausgaben bis zur provinziellen Ebene haben beide Seiten bereits Einigung über Regelungen sowie deren flexible Umsetzung erzielt.

–  Bei unterschiedlichen Systemen zum Schutz geographischer Herkunftsangabe und Ursprungsbezeichnung: Vietnam hat eine Kompromisslösung zwischen dem EU- und dem US-System vorgeschlagen, bei der ein Konflikt zwischen TPP und EVFTA vermieden wird. Die EU hat den Vorschlag bereits akzeptiert.

Vietnam: „Nun ist die EU-Führung gefordert“

Bei EVFTA werden einzelne Themen nicht nacheinander sondern parallel verhandelt. Obwohl ein Ende der Verhandlungen in Sicht und Vietnam dafür schon bereit ist, gibt es noch einige zu klärende Aspekte seitens der EU einschließlich der Ausgewogenheit der Interessen zwischen verschiedenen Freihandelsabkommen der EU mit unterschiedlichen Partnern, der rechtlichen Prozeduren sowie der personellen Neubesetzung der EU-Kommission. Daher hängt der angestrebte Abschluss der Verhandlungen nun von der EU-Führung ab, allen voran vom amtierenden EU-Kommissionspräsidenten J.M. Barrosso und ggf. auch vom designierten Kommissionspräsidenten J.C. Juncker.

Zusammengefasst ist EVFTA das für eine baldige Unterzeichnung aussichtsreichste Freihandelsabkommen unter den FTA mit südostasiatischen Ländern, zu denen die EU zurzeit Verhandlungen führt. Eine erfolgreiche Umsetzung des EVFTA würde beiden Seiten wirtschaftliche Vorteile bringen.Â