Phnom Penh – Der 49-jährige Regisseur sitzt an seinem Schreibtisch, das schulterlange, schwarze Haar zurückgekämmt, eine halbgerauchte Zigarre liegt im Aschenbecher. Er spricht über seinen Film „Das fehlende Bild“ (franz. Originaltitel: „L’image manquante“, engl: „The Missing Picture“), der für den diesjährigen Auslands-Oscar nominiert ist.
Sollte er Anfang März gewinnen, wäre dies eine Premiere für das südostasiatische Land. Und auch ein Zeichen dafür, wie weit Kambodscha seit dem Ende der Terror-Herrschaft der Roten Khmer gekommen ist, meint Panh.
Die radikalen Steinzeitkommunisten warfen die Entwicklung des Landes um viele Jahrzehnte zurück. Etwa 1,7 Millionen Kambodschaner kamen während ihrer Schreckensherrschaft von 1975 bis 1979 durch Mord, Hunger oder Zwangsarbeit ums Leben.
„All unsere Regisseure sind tot, ermordet, viele unserer Schauspieler sind tot, die Techniker auch. Wir haben hart gearbeitet, um unser Kino wiederaufzubauen“, sagt Panh. „Und 30 Jahre später werden wir nun für einen Oscar nominiert.“
Der Film ist teils Dokumentation, teils Autobiografie. Er verbindet Propagandafilme der Roten Khmer aus den 1970ern mit Szenen aus kambodschanischen Filmen der 60er Jahre. Dieses Jahrzehnt gilt als Goldenes Zeitalter des kambodschanischen Kinos. Doch außergewöhnlich sind vor allem die in mühsamer Kleinarbeit hergestellten Lehmfiguren. In Dioramen werden Szenen nachgestellt, die Panhs Geschichte erzählen. Dort, wo es keine Bilder gibt.
Panh verlor fast seine gesamte Familie in dem Völkermord. Er wolle mit dem Film eine Lücke füllen, denn aus der Zeit gebe es so gut wie keine authentischen Aufnahmen, sagt er. „Ich habe mich gefragt, wie kann man den Genozid als Ganzes begreifbar machen?“
Als Kind in Phnom Penh hatte er mit seinen Freunden aus dem Lehm des Mekong-Flusses Büffelfiguren geformt und damit Geschichten erzählt. So sei ihm die Idee mit den Figürchen für seinen Film gekommen, erzählt er. „Aus dem Lehm kam so etwas wie eine Seele … wie die Unschuld eines Kindes.“
Er war ein Teenager, als die Roten Khmer die Macht übernahmen und Stadtbewohner zwangen, Landarbeit zu verrichten. Im Film berichtet der Erzähler, wie Panh von seinem Vater, den der Widerstand schließlich das Leben kostete, inspiriert wurde, an seiner Individualität festzuhalten. Ja, der Film sei traurig, räumt Panh ein, aber: „Wir müssen den Opfern ihre Würde zurückgeben, ihnen Gerechtigkeit geben.“
„Als meine Nichte und mein Neffe den Film sahen, waren sie sehr stolz auf ihren Großvater“, erzählt Panh. „Sein Widerstand gibt ihnen viel Kraft.“ Der Regisseur hofft, dass der Film den nächsten Generation hilft, die grausame Geschichte zu verarbeiten, und dass junge Filmemacher nun auch die Freiheit haben, Themen abseits des Genozids anzugehen.
Im vergangenen Jahr gewann „Das fehlende Bild“ bei den Filmfestspielen in Cannes einen Preis in der Sonderkategorie „Un certain regard“. In Deutschland war der Film im November auf Arte zu sehen.
Obwohl er sich selbst nicht als Genre-fixierter Regisseur sieht, der sich ausschließlich mit dem Genozid befasst, räumt Panh ein, dass die Vergangenheit ihn stark beschäftige. Er leide an Panikattacken, erzählt er. „Die Menschen meiner Generation – wir leben mit den Toten in uns.“ Quelle: dpa