Frankfurt am Main – Die deutsche Wirtschaft ist infolge der schwierigen globalen Rahmenbedingungen aus dem Tritt gekommen. Im Schlussquartal stagniert das Bruttoinlandsprodukt (BIP), im Gesamtjahr 2019 liegt die Wachstumsrate bei mageren 0,6 %. Das ist der geringste Anstieg seit der Eurokrise 2012 und 2013. Ursächlich hierfür sind eine sehr schwache Exportdynamik und – damit einhergehend – die mit inzwischen sechs Quartalen längste Industrierezession seit der Wiedervereinigung.
Während Handelsspannungen sowie eine flaue Weltkonjunktur Industrie und Außenwirtschaft belasten, präsentiert sich die Binnennachfrage widerstandsfähig und stützt das Wachstum. Kurzfristig ist keine Änderung dieser gespaltenen Wirtschaftsentwicklung in Sicht: Aufgrund des Ausbruchs des Corona-Virus in China dürfte sich die Stagnation im ersten Halbjahr zunächst fortsetzen. Mit einem spürbaren Anziehen der Quartalswachstumsraten ist erst wieder ab dem Sommer zu rechnen.
Für das gesamte Jahr 2020 erwartet KfW Research infolgedessen einen Anstieg des BIP von nur noch 0,8 % (Vorprognose: +0,9 %). In seiner Erstprognose für 2021 geht KfW Research von einer Beschleunigung des Wachstums auf 1,3 % aus.
KfW Research stützt seine Prognose auf die Annahme, dass die Corona-Epidemie schwerpunktmäßig auf China begrenzt bleibt und in einigen Wochen abflauen wird. Danach sollte sich die chinesische Wirtschaft relativ rasch wieder normalisieren, bevor es zu massiven Behinderungen in den globalen Wertschöpfungsketten kommt. Die Abwärtsrisiken wegen des neuen Virus sind allerdings erheblich: „Sollte die Corona-Epidemie länger andauern und auch andere Weltregionen stärker in Mitleidenschaft ziehen, werden gravierende Auswirkungen auf den Außenhandel und die Wertschöpfungsketten wahrscheinlicher, denen die deutsche Industrie besonders ausgesetzt ist. Die Situation in Italien macht mir deshalb Sorgen „, warnt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.
Bei dem von KfW Research für das Gesamtjahr 2020 erwarteten Zuwachs des BIP von 0,8 % ist zu berücksichtigen, dass dieser durch einen ungewöhnlich starken Kalendereffekt unterstützt wird. Indem deutlich mehr Feiertage auf ein Wochenende fallen, kann 2020 an vier Tagen mehr gearbeitet werden als 2019. Die dadurch ermöglichte zusätzliche Wertschöpfung trägt 0,4 Prozentpunkte zu dem Gesamtjahreswachstum bei. Kalenderbereinigt – also rein konjunkturell getrieben – wird das BIP 2020 folglich nur um 0,4 % und damit nochmals etwas schwächer wachsen als im vergangenen Jahr, für das der Kalendereffekt vernachlässigbar ist.
Mit Blick auf 2021 sieht Köhler-Geib jedoch gute Gründe für eine Erholung der Konjunktur: „Im kommenden Jahr dürfte das Weltwirtschaftswachstum wieder etwas höher ausfallen und unseren Exporten neue Impulse geben. Die deutsche Industrie sollte dann wieder etwas kräftiger wachsen, da sie von der günstigeren Auslandsnachfrage profitiert. Dies wird die Unternehmensinvestitionen anregen. Gleichzeitig stärkt die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2021 die private Kaufkraft.“ Da der Konsum und der private Wohnbau voraussichtlich weiter steigen werden, sagt KfW Research in der Erstprognose für 2021 ein BIP-Wachstum von 1,3 % voraus. Dabei ist die Anzahl der Arbeitstage im nächsten Jahr genauso groß wie 2020. Mithin entspricht die Prognose für 2021 kalenderbereinigt ebenfalls einem BIP-Anstieg um 1,3 % und läuft damit auf eine spürbare konjunkturelle Belebung im Vergleich zu dem sehr bescheidenen kalenderbereinigten Wachstum in diesem Jahr hinaus.
Die Corona-Epidemie ist zurzeit wohl das größte Konjunkturrisiko, jedoch nicht das einzige. Die handelspolitischen Risiken sind zwar verblasst, aber nicht verschwunden. Nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs müssen nun bis Ende 2020 die künftigen Beziehungen erfolgreich verhandelt werden. Ansonsten würden ab Anfang 2021 Zölle und Quoten den europäisch-britischen Handel hemmen. Des Weiteren könnte Deutschland noch immer von US-Sonderzöllen auf europäische Autos und Autoteile getroffen werden. (ots)
Der aktuelle KfW-Konjunkturkompass ist abrufbar unter www.kfw.de/konjunkturkompass