Frankfurt/M. – Das Coronavirus trifft die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft in einer ohnehin schwierigen Situation. Bereits 2018 hinterließen die zunehmenden Spannungen in den internationalen Handelsbeziehungen und eine sich eintrübende Weltkonjunktur Spuren im Mittelstand: Auslandsumsätze steigerten sich damals nur um rund 3,1 % auf 595 Mrd. EUR (2017: 5,5 %).
Der Auslandsanteil an den Gesamtumsätzen der international aktiven Unternehmen ist 2018 leicht auf 28,2 % zurückgegangen. Die KfW-ifo-Exporterwartungen des mittelständischen Verarbeitenden Gewerbes waren im Jahr 2019 durchgängig negativ, sind zuletzt aber noch einmal deutlich eingebrochen: Im März 2020 fiel der Indikator um ganze 17,6 Zähler auf einen Saldo von -24,6.
Nur auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Winter 2008/2009 waren die Exporterwartungen noch pessimistischer. Dies zeigt der KfW-Internationalisierungsbericht 2020, der sich auf eine repräsentative Befragung kleiner und mittlerer Unternehmen und die Auswertung der KfW-ifo-Zahlen zum mittelständischen Geschäftsklima stützt.
„Die starke Ausbreitung des Coronavirus in immer mehr Ländern trifft den Mittelstand empfindlich“, so KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib. „Die Coronakrise stellt die rund 800.000 auslandsaktiven kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland vor besondere Schwierigkeiten. Sie verzeichnen Umsatzeinbrüche im In- und Ausland zugleich.“ Der deutsche Mittelstand bekommt vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus
in Europa zu spüren, denn hier liegen die wichtigsten Exportmärkte kleiner und mittlerer Unternehmen. Mehr als zwei Drittel ihrer gesamten Auslandsumsätze, rund 402 Mrd. EUR, haben kleine und mittlere Unternehmen 2018 in Europa erzielt. Auch auf der Beschaffungsseite ist die Verflechtung des deutschen Mittelstandes in Europa stark. Im mittelständischen Verarbeitenden Gewerbe kommen knapp 70 % der Auslandseinkäufe aus Europa, im mittelständischen Dienstleistungssektor gut 60 %.
„Mit Sorge blicke ich auf die Entwicklung der Pandemie auch in den USA. Zusätzlich zu den Herausforderungen dort betrifft sie auch die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland, von denen jedes fünfte Geschäftsbeziehungen in die USA unterhält“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib. Rund 7 % der 3,81 Millionen Mittelständler in Deutschland exportieren direkt in die USA, ähnlich viele tun dies indirekt über ihre deutschen oder europäischen Kunden. Mehr als 250.000 kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland beziehen Rohstoffe, Vorprodukte oder Dienstleistungen aus den USA.
Während bisher globale Handelskonflikte von jedem zweiten mittelständischen Unternehmen als eines der größten Risiken für die deutsche Konjunktur gesehen wurden, rücken diese angesichts der Coronakrise in den Hintergrund. Gelöst sind sie deshalb jedoch nicht und dürften internationale Wertschöpfungsketten auch in Zukunft belasten – auch im deutschen Mittelstand. Bei einer Eskalation des Zollstreits zwischen den USA und der EU erwartet jeder dritte Mittelständer negative Auswirkungen auf sein Unternehmen.
Von den Mittelständlern, die Geschäftsbeziehungen in die USA unterhalten, erwarten mehr als 60 % nachteilige Auswirkungen auf ihr Geschäft, sollte sich der transatlantische Handelsstreit weiter verschärfen. „Auch nach Ãœberwindung der Coronakrise dürften sich die deutschen Exporte und damit auch die Auslandsumsätze des Mittelstands in einem schwierigen Umfeld entwickeln. Ich nehme an, dass die Krisenerfahrungen dazu führen, dass Unternehmen ihre internationalen Wertschöpfungsketten krisenfester machen – und in manchen Fällen auch stärker diversifizieren“, sagt die KfW-Chefvolkswirtin.
Der aktuelle KfW-Internationalisierungsbericht 2020 ist abrufbar HIER