Hannover – Die sofort mit Zustandekommen des Luftbeförderungsvertrags fällige Verpflichtung des Fluggastes zur vollständigen Zahlung ist unwirksam. Das hat das Landgericht Hannover nach einer Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) gegen die TUIfly Vermarktungs GmbH entschieden.
Da die Vereinbarung einer 100-prozentigen Anzahlung von dem gesetzlichen Leitbild, nach dem Vertragspflichten in der Regel nur Zug um Zug zu erbringen sind, abweicht, muss nach der Rechtsprechung des BGH eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen durchgeführt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Fluggäste in vollem Umfang das Insolvenzrisiko der Fluggesellschaft übernehmen. Dieses Risiko werde nicht in entscheidender Weise dadurch gemindert, dass das Luftfahrtunternehmen im Rahmen der Erteilung der Betriebsgenehmigung auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überprüft wird. Eine Insolvenz werde durch diese Prüfung nicht ausgeschlossen.
Für den Flugreisenden bestehe weiterhin das Risiko, dass seine Vertragspartnerin zum vereinbarten Flugtermin nicht fähig oder bereit ist, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Er könne sie nicht zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anhalten. Nach der Rechtsprechung des BGH kann es allenfalls dann zulässig sein, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Vorleistungspflicht des Kunden zu begründen, die über eine bei Vertragsschluss zu entrichtende, verhältnismäßig geringe Anzahlung hinausgeht, wenn hinreichende Sicherheiten gegeben werden. Dabei genüge es nicht, irgendwelche (Reise-)Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Allein mit der Buchungsbestätigung lägen bezüglich der eigenen Flugleistungen der TUIfly.com als ausführender Luftfrachtführer keine Unterlagen mit der erforderlichen Absicherungsqualität vor. Zwar sei ein Interesse der Fluggesellschaft an einer Absicherung ihrer Zahlungsansprüche vor Flugbeginn anzuerkennen, die Klausel, nach der bereits bei Buchung der gesamte Flugpreis zu zahlen ist, auch wenn der Flug erst in zehn Monaten stattfindet, benachteilige den Fluggast aber unangemessen.
Vorleistungen für die Bereitstellung des Fluggeräts und dessen Wartung sowie die Flugbesatzung unterfielen dem allgemeinen Geschäftsrisiko. Zudem seien Fälle denkbar, in denen Kosten für den Erwerb von Start- und Landerechten bei Vertragsschluss mit dem Kunden überhaupt noch nicht angefallen sind. Demnach sei es nicht gerechtfertigt, dem Flugkunden zu diesem Zeitpunkt bereits den vollen Preis in Rechnung zu stellen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. LG Hannover vom 21.01.2014 (18 O 148/13) – Quelle: Verbraucherzentrale NRW